Mit Kindern die Natur erforschen macht Spaß und ist zukunftsweisend (2013)

Schüler_innen aus Nordrhein-Westfalen belegen bei dem neuen Schulleistungsvergleich die hinteren Plätze. Britische Kinder finden, laut einer Studie in Großbritannien, die Natur langweilig. Wie kann das sein? Die Natur ist so ungeheuer spannend und interessant und Kinder sind von Natur aus neugierig und kreativ. Außerdem ist die Natur Grundlage unseres Lebens und wir sind doch ein Teil von ihr. Da wir   Naturwissenschaftler_innen und Ingenieur_innen zur Lösung so vieler Probleme brauchen und viele Erfindungen auf der Beobachtung der Natur beruhen, möchte ich gerne möglichst viele begeistern. Einige faszinierende Beispiele für Entdeckungen, die aus der Beobachtung der Natur entstanden, aus der Bionik-Vorlesung, stelle ich euch kurz vor. Gerade im Bereich der Naturwissenschaften liegen hoch bezahlte Arbeitsplätze der Zukunft. Natürlich ist es Aufgabe der Kindergärten und Schulen, diese Freude am Forschen zu vermitteln, Gelegenheiten dafür zu bieten und know-how zur Verfügung zu stellen. Aber es macht auch so viel Freude gemeinsam mit Kindern immer wieder Neues in und über die Natur zu entdecken. Es gibt viele schöne Gelegenheiten und Medien, die uns Anregungen für ein gemeinsames Forschen geben. Ein paar möchte ich gerne vorstellen. Ich hoffe, dass ich euch mit meiner Freude und meinem Interesse an den Naturwissenschaften, am Experimentieren, ein wenig anstecken kann.

Die Studie belegt erneut die erschreckend hohe Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft in Deutschland. Neuntklässler aus der Oberschicht haben gegenüber Gleichaltrigen aus bildungsfernen Schichten einen Lernvorsprung in Mathematik von fast drei Schuljahren.

NRW-Schüler hinken im Bildungsvergleich bei Mathe und Naturwissenschaften hinterher | WAZ.de - Lesen Sie mehr auf:
http://www.derwesten.de/politik/campus-karriere/was-schueler-in-der-neunten-klasse-koennen-sollen-page2-id8549063.html#plx2042614422

Die Welt der Tiere, die Fauna

Den ersten Zugang zu den Naturwissenschaften finden die meisten von uns, auch die Kinder, wahrscheinlich über die Tiere in ihrer Umgebung, da sie so vielfältig und spannend zu beobachten sind und ihre Bewegungen, ihre Stimmen, z.B. die Vogelstimmen, uns meist große Freude machen. Wir Menschen sind ihnen ja als "Säugetiere" sehr nah. Der taz-Artikel "Kinder sind Forscher ohne Pipette" beschreibt in meinen Augen ganz gut, dass wir dazu nicht viel benötigen. "Die Alltagswirklichkeit bietet genug, was auf seine Entdeckung wartet. Daher brauchen Kinder Lernorte und Lernsituationen, die sie anregen, ihr Vorstellungsvermögen zu entfalten - am besten in Kommunikation mit anderen Kindern." Das Haus, der Garten, der Wald, die Wiese und das Wasser bieten so schöne Gelegenheiten die Natur im Kleinen und Großen in der nächsten Umgebung gemeinsam zu erforschen.

 

Allen Kindern, mir aber auch noch immer, macht es Spass am Meer Muscheln, Schnecken, Seeigel und Seesterne zu finden. Schneckenhäuser finden sich natürlich auch im Garten, bei uns z.B. sehr viele Hain-Schnirkelschnecken und im und am Teich die Posthornschnecken. Auf dem Weg zur Himmelstreppe finde ich auch immer mal wieder eine Weinbergschnecke. Bis vor Kurzem habe ich immer gedacht, dass die Schalen, die ich am Meer finde, Muscheln sind und die, die ich am Land finde, Schnecken. Ich hatte es nicht besser gelernt. Erst durch das Zoologie-Praktikum wurden mir die Augen geöffnet und ich fand an der Ruhr viele asiatische Körbchenmuscheln, die unsere einheimischen Muscheln leider verdrängen. Zwar sind beides Weichtiere (Mollusca), aber Muscheln haben im Gegensatz zu den Schnecken zwei Schalenklappen, die oben durch ein Schlossband zusammengehalten werden. Die meisten Schneckenschalen sind spiralig gewunden und lassen einen kegelförmigen Hohlraum frei. So beschreibt sie das Buch von Brohmer "Fauna von Deutschland" , mit dem sie sich auch relativ gut bestimmen lassen. Mittlerweile finden sich aber häufig auch Tafeln, die anzeigen, welche Tiere und Pflanzen in der jeweiligen Gegend anzutreffen sind. Das finde ich toll.

 

Ein tolles erstes Beobachtungsinstrument ist eine Becherlupe. Mit ihr kannst du ganz wunderbar auch die kleineren Lebewesen genauer betrachten und in dem "Becherlupen-Forscherbuch" findest du sehr schöne Anregungen dazu. Hier werden insgesamt 34 Tiere vorgestellt, vom Regenwurm über den Tausenfüßer und die Weinbergschnecke bis zum Wasserläufer. Zu jedem Tier gibt es eine kurze Beschreibung, Beobachtungsideen, einen Steckbrief, eine spezielle Aufgabe und natürlich Platz für Notizen. Gleichzeitig legt das Buch Wert auf einen achtsamen Umgang mit den Tieren. So lässt sich gemeinsam auch Unscheinbares wunderbar entdecken und das Staunen über, die Achtung vor der Natur, auch vor den kleinsten Lebewesen, erfahren.

 

Wenn jetzt bald der Winter kommt, bieten sich sehr gute Gelegenheiten die heimischen Vögel zu beobachten und kennenzulernen, zumindest diejenigen, die keine Zugvögel, sondern Jahresvögel/Standvögel oder Wintergäste sind. Siehe auch meinen Blog-Artikel vom Januar "Vögel beobachten - im Winter ein besonderer Genuss." Den Blick für die vielfältigen, hübschen Vögel, das Gehör für ihre unterschiedlichen Gesänge, bekomme ich erst nach und nach genauer. Dabei ist natürlich ein Fernglas sehr sinnvoll und für mich das Buch von Barthel und Douglas "Was fliegt denn da?" gerade auch mit den CDs zu den Vogelstimmen. Hiermit kannst du immer wieder neue Entdeckungen machen. Hast du Lust auf ein Vogelstimmen-Quiz?

 

Toll ist es natürlich auch, mit anderen gemeinsam die Tierwelt zu entdecken, Exkursionen unter kundiger Leitung zu machen. So hat es mir im letzten Jahr großen Spass gemacht, gemeinsam mit Student_innen der UNI Münster, unter professioneller Anleitung, die Vögel in den Rieselfeldern und die Landfauna an einem Stadtsee zu beobachten und wieder viel Neues über Tiere zu erfahren. Sicher findet ihr auch in eurer näheren Umgebung geführte Exkursionen. Auf jeden Fall bieten BUND und NABU regelmäßig Aktivitäten an. Schau doch mal rein.

 

Faszinierend ist ja auch wie viele Entdeckungen und Erfindungen, die wir heute nicht mehr missen möchten, durch Beobachtungen der Natur entstanden sind. Damit beschäftigt sich die Bionik. Viele wissen wahrscheinlich, dass die Flugzeugtechnik auf der Beobachtung des Vogelflugs und der Fledermäuse beruht. Es gibt so viele Beispiele dafür wie die Technik von der Natur, hier den Tieren, gelernt hat: Für die Autoreifen von den Katzenpfoten, zur Verringerung des Luftwiderstands beim Fliegen von der Haihaut, für wendige Schiffe vom Dorschkopf und der Makrelenschwanzflosse, für die Papierherstellung von einem Wespennest: So hatte Keller als Kind beobachtet, dass Wespen ihre Nester aus Holzfasern und Speichel herstellen und erfand ein Verfahren, Papier aus Holz, Textilien und Leim herzustellen. Bis heute wird Papier aus zerkleinertem Holz gewonnen, welches durch Zusatzstoffe verleimt wird. Die Architektur lernte, z.B. für den Eiffelturm, vom menschlichen Oberschenkelknochen (Große Stabilität bei geringem Materialaufwand); die Erfindung des Klebebandes beruhte auf den Beobachtungen des Gecko, der sogar kopfüber an glatten Oberflächen entlanglaufen kann. Er hat Lamellen an der Unterseite seiner Füße und Van‐der‐Waals‐Kräfte summieren sich zu starker Kraft. Für das Auto, Bionic Car lernte man vom Kugelfisch (Im Wasser lebende Tiere weisen strömungsgünstigere Eigenschaften auf). Auch die Entwicklung von Robotern hatte die Natur als Vorbild: Für den Kletterroboter den Gecko, für einen Greifer mit ¨FinRay¨-Effekt eine Fischflosse, für den Erkundungsroboter Lauron IV eine Stabheuschrecke, für den Handlungsassistenten von Festo einen Elefantenrüssel usw.. Zu dem Roboter nach einem Elefantenrüssel ist der Blog-Artikel von Arne Nordmann "Ein Roboter-Rüssel lernt wie ein Baby." sehr empfehlenswert und, falls dich die robotic insgesamt interessiert, das blog botzeit.

Die Welt der Pflanzen (Flora)

Die Pflanzen haben es mir ja angetan, nicht nur weil ich an ihnen so schön den Wechsel der Jahreszeiten beobachten kann. Blumen sind ja nicht nur bedeutsam für einige Insekten und den Honig, den ich so sehr mag, sondern machen die Welt so herrlich bunt, viele Pflanzen dienen uns als Nahrung, bereichern unsere Speisen durch ihre herrlichen Aromen und schenken uns zu so vielen Gelegenheiten Freude.

 

Für mein pharmazeutisches Vorexamen musste ich damals, 1969, ein Herbarium mit ca. 200 Pflanzen anlegen. Natürlich war das nicht einfach, aber ich habe dadurch gelernt genauer hinzusehen was alles, manchmal auch im Verborgenen, wächst und dadurch ist für mich jeder Spaziergang, egal in welchem Land, an welchem Ort ich bin, immer spannender als ohne dieses genaue Hinsehen und ich entdecke immer wieder neue Pflanzen. Natürlich habe ich das Herbarium noch und bin fasziniert wie gut die Pflanzen noch erhalten sind, selbst die Farbe des Klatschmohns ist noch erkennbar, wie du auf dem Foto sehen kannst. Vielleicht hast du ja Lust, alleine, mit anderen, mit Kindern zusammen, ein Herbarium anzulegen. Auf dieser Seite "Herbarium erstellen" ist ganz gut beschrieben wie das geht und was du beachten solltest. Unabhängig davon macht so eine kleine Blumenpresse Kindern sicher Freude. Sie lässt sich auch ganz einfach selber herstellen, vielleicht sogar mit ihnen zusammen. Ich finde das ist neben der Becherlupe ein schönes Geschenk für kleine Naturforscher_innen. Auch meinen Söhnen hat es oft Freude gemacht, wenn ich sie auf Blumen aufmerksam gemacht habe, die gerade blühten, am Wegesrand standen und sie haben sich teilweise einen Sport daraus gemacht auch ihre lateinischen Namen zu lernen. Ich bin sicher, dass sie immer noch den einen oder anderen kennen. Ich glaube, dass es Kindern, spätestens in der Grundschule, viel Freude machen kann Blumen zu pressen und ein kleines Herbarium anzulegen.

 

Wenn ich gerne wissen möchte, welche Blume ich gefunden habe, schaue ich unterwegs oder zu Hause in "Pareys Blumenbuch" nach. Es ist meines Erachtens relativ einfach zu handhaben, wenn man blühende Pflanzen bestimmen will. Ich trage dann immer in das Buch ein, wann und wo ich diese Pflanze zum ersten Mal gefunden habe. Einfacher, gerade zu Beginn, ist es natürlich, an Exkursionen teilzunehmen, die sicher auch in deinem Umfeld angeboten werden, nicht nur vom BUND und NABU. Ich habe mit Student_innen der UNI Münster an den botanischen Exkursionen teilgenommen, um wieder mehr zu sehen und kennenzulernen, aber auch in meinem engeren Umfeld an den Exkursionen mit einer Kräuterpädagogin. Wie toll das war, kannst du z.B. in meinem blog-Artikel vom Mai "Wildkräuter für die Küche und als Heilkräuter wieder entdecken" nachlesen. Das ist ja das Tolle: Wir können sie zum Teil auch noch für Speisen und als Arznei verwenden. Dann sollten wir sie allerdings auch gut kennen und erkennen können.

 

Zu dieser Jahreszeit durch den bunten Herbstwald zu gehen, ist für mich immer wieder Genuss pur. Ich presse die bunten Blätter dann auch gerne in meiner Pflanzenpresse, um von ihnen länger etwas zu haben. Sie eignen sich so neben den Baumfrüchten gut für eine herbstliche Dekoration; denn dann wellen sie sich nicht und behalten ihre herrlichen Farben relativ lange. Kastanien, Eicheln, Bucheckern zu sammeln und mit ihnen zu basteln, macht mit Kindern sowieso Freude. In der "bunten Herbstecke" findet ihr viele Vorschläge, was ihr im Herbst mit Blättern und Früchten, die ihr gemeinsam sammelt, zusammen mit Kindern basteln könnt. Das ist doch Lernen mit Spass. Uns hat es jedenfalls immer viel Freude gemacht.

 

Zu wissen, welche Blätter, du gesammelt hast, ist ja sicher schön. Interessiert dich ein kindgerechter Bestimmungsschlüssel für Laubbäume? Ich finde ihn gut gemacht. Für mich selbst komme ich ganz gut mit dem Buch von Gottfried Amann "Bäume und Sträucher des Waldes" zurecht, das ich geschenkt bekommen habe.  Warum die Blätter bunt werden, sich färben, hier kindgerecht beschrieben, leitet schon gut über zu meinem Fortsetzungsartikel; denn selbst bei diesen kurzen Beschreibungen wird ja schon deutlich, dass chemische und physikalische Prozesse natürlich überall in der Natur anzutreffen und mindestens genauso spannend sind. Da ich jetzt aber schon relativ viel nur zu der biologischen Sicht auf die Natur geschrieben habe, werde ich die chemische und physikalische Sichtweise in einem der nächsten Artikel ergänzen. Die drei Naturwissenschaften können ja nur gemeinsam ungefähr eine Vorstellung von der Vielfalt und der Faszination der Natur bieten.

 

Die Natur, von der wir ja ein Teil sind, bietet uns also ungeheuer viel: Sie gibt uns Sauerstoff zum Atmen, Wasser zum Trinken, vielfältigste Nahrung, Rohstoffe für Kleidung, Entspannung und Erholung, Medikamente und Vorlagen für viele technische Innovationen. Auch die Beobachtung der Pflanzen hat zu vielen technischen Neuheiten geführt: Die Beobachtung der Flugsamen des Wiesenbocksbart (Tragfläche nicht eben sondern nach außen hochgezogen, Schwerpunkt sehr tief, bei Luftböen Einschwenken in die Ausgangslage möglich) zum Fallschirm, die des Osagedorn (Nachbildung der Dornen) zum Stacheldraht, der Mohnkapsel zum Salzstreuer, des Festigungsgewebes im Kaktusblatt zum Stahlbeton, der Riesenseerose in der Architektur zum Crystal Palace in London, des Bambus zum momentan größten Gebäude der Welt in Dubai, dem Burj Khalifa, (besondere Stabilität durch ringförmige Zwischenböden im Halm; die unteren, stärker belasteten, Abschnitte des Halms sind breiter als die darüber folgenden).

 

Wir Menschen leben in Symbiose mit 100 Billionen Kleinstlebewesen in und auf uns - ein blog-Artikel dazu ist in Arbeit - und meine Hochachtung vor den "Leistungen" der Natur, selbst der kleinsten Lebwesen, die Dinge seit Ewigkeiten beherrschen, von denen wir Menschen nur träumen, aber auch vor den unglaublich interessanten, komplexen Strukturen und Vorgängen in den Pflanzen, wächst mit jeder neuen Information. Deshalb hoffe ich, dass die Faszination für die Natur und die Naturwissenschaften dazu beitragen kann, dass wir achtsam mit der Natur umgehen und uns für den Umweltschutz und gegen die zerstörerischen Prozesse einsetzen. Auch deshalb finde ich es so wichtig, Kindern Freude an der Natur und den Naturwissenschaften zu vermitteln.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Arne (Sonntag, 03 November 2013 12:14)

    Zum Thema Gecko-inspirierte Roboter, hier noch ein Beitrag mit den Beispielen RiSE, SpinyBot (von Kakerlaken inspiriert) und StickyBot (vom Gecko inspiriert).
    http://botzeit.de/blog/2009_05_21_roboter-gehen-waende-hoch.html
    StickyBot ist wirklich faszinierend!